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~ Altnordische & Klassische Gedichte & Volkslieder~

Bergliot (Melodram)

Heute muß König Harald
Thingfrieden schließen,
denn Einar folgten
fünfhundert Bauern.

Einride, sein Sohn,
läßt das Haus bewachen,
während der Alte
zum König hineingeht.

Vielleicht erinnert
sich Harald daran,
daß Einar zwei Könige
Norwegens kürte,

und schließt Frieden
und trifft ein Abkommen nach dem Gesetz;
er hatte es versprochen,
und das Volk sehnt sich danach.

Wie der Sand nur
über den Weg fegt!
Was ist das für ein Lärm?
Sieh nach, mein Diener!

Vielleicht ist es nur der Wind!
Denn hier ist es stürmisch:
Der offene Fjord
und das flache Gebirge.

Ich kenne die Stadt
noch aus meiner Kindheit;
dieser Wind hetzt
wütende Hunde.

Da - ein Lärm ertönt
von tausend Stimmen,
und Stahl färbt es
zu kampfesroter Flamme!

Ja, es ist das Getöse von Schilden!
Und sieh die Staubwolke:
Speerwogen wölben sich
um Tambarskjelve!

Er ist in Bedrängnis!
Treuloser Harald!
Der Totenrabe steigt auf
über deinem Thingfrieden.

Hol den Wagen,
ich muß zum Kampf;
jetzt daheim sitzen
gälte das Leben!

O Bauern, rettet ihn!
Bildet einen Kreis um ihn!
Eindride, jetzt beschütze
deinen alten Vater!

Bau im eine Burg aus Schilden
und gib ihm den Bogen,
denn mit Einars Pfeilen
pflügt der Tod!

Und du, Sankt Olav,
um deines Sohnes willen,
bitte für ihn
in Gimles Sälen!

Die Schar wird zersprengt....
und kämpft nicht länger;
im Haufen folgen sie
einander zum Fluß.

Was ist geschehen?
Was kündigt mir dieses Beben an?
Verläßt mich das Glück?
Was ist? Warum bleiben
die Bauernscharen stehen?...
Mit gesenkten Lanzen
umstehen sie zwei Tote!
Und Harald entkommt?
Was herrscht dort für ein Gedränge
an der Tür zu Thinghalle?
Geordnet zieht das Heer jetzt ab?
Wo ist Eindride?
Traurige Blicke
huschen an mir vorbei,
fürchten mich zu trefen...
Nun weiß ich es:
Sie sind beide tot.
Macht Platz ! Ich muß sie sehen!
Ja, sie sind es!
Wie konnte das geschehen?
Doch, sie sind es:

Gefallen der herrlichste
Häuptling des Nordens,
Norwegens bester
Bogen zerborsten.

Gefallen ist Einar
Tambarskjelve,
an seiner Seite sein Sohn,
Eindride !

Im Dunkel ermordet,
er, der Magnus mehr
als ein Vater gewesen,
gekürter Ratgeber der Söhne
König Knuds des Großen.

Heimtückisch ermordet
wurde der Schütze von Svolder,
der Löwe, der über
die Lürschauer Heide schnellte.

Im Hinterhalt wurde
das Haupt der Bauern getötet,
der Trondheimer Stolz,
Tambarskjelve!

Sein weißes Haar verhöhnt,
den Hunen zur Beute hingeworfen,
an seiner Seite sein Sohn:
Eindride!

Auf, auf, ihr Bauern, er ist gefallen;
aber der, der ihn mordete, lebt noch!
Kennt ihr mich nicht? Ich bin Bergliot,
Tochter Håkons von Hjørnungavåg!
Jetzt Tambarskjelves Witwe!

Ich sage euch, Bauernschar:
Mein alter Mann ist gefallen,
Seht das Blut an seinem bleichen Haar!
auch über euch wird es kommen,
erkaltet es ungerächt.

Auf, auf, ihr Männer, euer Oberhaupt ist gefallen,
euer Vorbild, euere Vater, die Freude eurer Kinder,
Legende des ganzen Tals, Held des ganzen Landes -
hier ist er gefallen, und ihr wollt ihn nicht rächen?

Im Dunkel ermordet, im Haus des Königs,
in der Thinghalle, in der Halle des Gesetzes ermordet,
ermordet vom obersten Hüter des Gesetzes.
Oh, des Himmels Blitz wird das Land treffen,
wird es nicht geläutert durch die Flamme der Rache!

Stoßt die Langschiffe ab!
Einars neun langschiffe liegen hier,
laßt sie die Rächer zu Harald tragen!

O stünde Håkon Ivarsson hier,
stünde mein Anverwandter hier auf dem Hügel,
dann fände Einars Mörder nicht den Fjord,
und euch, ihr Feiglinge, bräuchte ich nicht zu bitten!

O Bauern, hört mich, mein Mann ist gefallen,
ihn ehrte und achtete ich über fünfzig Jahre!
Da liegt er, und zu seiner Rechten
unser einziger Sohn, unsere ganze Zukunft!
Leer ist es jetzt in meinen Armen;
kann ich sie noch zum Gebet erheben?
Oder wohin soll ich mich wenden auf Erden?
Gehe ich fort nach fremden Stätten,
ach, dann vermisse ich die, an denen wir zusammen lebten;
aber wende ich mich diesen zu,
ach, dann vermisse ich meine Lieben um so mehr!

Odin in Walhall wage ich nicht aufzusuchen;
denn ich verließ ihn in meiner Kindheit.
Und der neue Gott in Gimle?
Er nahm doch alles, was ich hatte!

Rache? Wer spricht mir von Rache?
Kann sie mir die Toten wecken?
Oder mich vor Kälte schützen?
Gibt sie einer Witwe sicheren Ort
oder einer kinderlosen Mutter Trost?

Laßt die Rache; laßt mich!
Legt ihn und seinen Sohn auf den Wagen,
kommt, wir begleiten sie heim.
Der neue Gott in Gimle, der fürchterliche, der mir alles nahm,
soll er doch Rache nehmen, denn das versteht er!
Fahr langsam, denn so fuhr auch Einar immer,
wir kommen früh genug heim.

Die Hunde werden ihn nicht mehr freudig springend begrüßen,
sondern mit hängendem Schwanz winseln,
und die Pferde werden die Ohren aufstellen
und erregt an der Stalltür wiehern
und auf Eindrides Stimme warten.

Doch sie ertönt nie wieder,
auch Einars Schritte in der Halle nicht,
die jedem geboten, sich zu erheben,
weil das Oberhaupt kam!
Die großen Räume werde ich schließen,
die Leute fortschicken,
Vieh und Pferde verkaufen,
ich werde fortziehen und einsam leben.
Fahr langsam,
wir kommen früh genug heim.

Edvard Grieg (1843-1907). Uraufführung des Melodrams für Sprecher und Orchester 
(Vertonung von Bjørnson) 1885 in Christiania. 
Die Thematik entspringt Snorri´s "Heimskringla".

Übersetzung © Hayo Nörenberg

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