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~ Altnordische & Klassische Gedichte & Volkslieder~

Das jüngere Hildebrandslied

»Ich wil zu Land ausreiten«, 
sprach sich Meister Hiltebrant,
»Der mir die Weg tet weisen 
gen Bern wol in die Land,
Die seind mir unkund gewesen 
vil manchen lieben Tag:
In zwei und dreißig jaren 
Fraw Utten ich nie gesach.«

»Wilt du zu Land ausreiten«, 
sprach sich Herzog Abelung,
»Was begegent dir auf der Heiden?
Ein schneller Degen jung.
Was begegent dir auf der Marke?
Der jung Herr Alebrant;
Ja, rittest du selbzwölfte, 
von im wurdest angerant.«

»Ja, rennet er mich ane
in seinem Ubermut,
Ich zerhaw im seinen grünen Schild,
es tut im nimmer gut,
Ich zerhaw im sein Brinne 
mit einem Schirmenschlag,
Und daß er seiner Mutter 
ein ganz jar zu klagen hat.«

»Das solt du nicht entun«, 
sprach sich Herr Dieterich,
»Wann der jung Herr Alebrant 
der ist mir von Herzen lieb;
Du solt im freundlich zusprechen 
wol durch den Willen mein,
Daß er dich wöl lassen reiten, 
als lieb als ich im mag sein.«

Do er zum Rosengarten ausreit 
wol in des Berners Marke,
Do kam er in große Arbeit 
von einem Helden starke,
Von einem Helden junge 
da ward er angerant:
»Nun sag an, du vil Alter, 
was suchst in meines Vatters Land?

»Du fürst dein Harnisch lauter und rain, 
recht wie du seist eins Königs Kind,
Du wilt mich jungen Helden 
mit gesehenden augen machen blind;
Du soltest da heimen bleiben 
und haben gut Hausgemach
Ob einer heißen Glute.« 
Der Alte lachet und sprach:

»Sölt ich da heimen bleiben 
und haben gut Hausgemach?
Mir ist bei allen meinen Tagen 
zu raisen aufgesetzt,
Zu raisen und zu fechten 
bis auf mein Hinefart,
Das sag ich dir vil jungen, 
darumb grawet mir mein bart.«

»Dein Bart will ich dir ausraufen, 
das sag ich dir vil alten Man,
Daß dir dein rosenfarbes plut 
uber dein wangen muß abgan;
Ein Harnisch und dein grünen Schild
must du mir hie aufgeben,
Darzü must mein gefangner sein,
wilt du behalten dein leben.«

»Mein Harnisch und mein grüner Schild, 
die teten mich dick ernern,
Ich traw Christ vom Himel wol, 
ich wil mich dein erweren.«
Sie ließen von den Worten, 
sie zugen zwei scharpfe Schwert,
Und was die zwen Helden begerten,
des wurden die zwen gewert.

Ich weiß nit, wie der junge 
dem Alten gab einen Schlag,
Daß sich der alte Hiltebrant 
von Herzen sere erschrack.
Er sprang hinter sich zu rucke 
wol siben Klafter weit:
»Nun sag an, du vil junger, 
den Streich lernet dich ein Weib!«

»Sölt ich von Weibern lernen, 
das wer mir immer ein Schand,
Ich hab vil Ritter und Knechte 
in meines Vatters Land,
Ich hab vil Ritter und Grafen 
an meines Vatters Hof,
Und was ich nit gelernet hab, 
das lerne ich aber noch.«

Er erwüscht in bei der Mitte, 
da er an dem schwechsten was,
Er schwang in hinder sich zu rucke
wol in das grüne Gras:
»Nun sag mir, du vil junger, 
dein Beichtvater wil ich wesen:
Bist du ein junger Wölfinger, 
von mir magst du genesen.

Wer sich an alte Kessel reibt, 
der empfahet gern Rame,
Also geschieht dir, vil jungen, 
wol von mir alten Manne;
Dein Beicht solt du hie aufgeben 
auf diser Heiden grün,
Das sag ich dir vil eben, 
du junger helde kün.«

»Du sagst mir vil von Wölfen, 
die laufen in dem Holz:
Ich bin ein edler Degen 
aus Krichenlanden stolz,
Mein Mutter die heißt Fraw Utte, 
ein gewaltige Herzogin,
So ist der Hiltebrant der alte 
der liebste Vater mein.«

»Heißt dein Muter Fraw Utte, 
ein gewaltige Herzogin,
So bin ich Hiltebrant der alte, 
der liebste Vatter dein.«
Er schloß ihm auf sein gulden Helm 
und kust in an seinen Mund:
»Nun müß es Gott gelobet sein, 
wir seind noch beid gesund.«

»Ach Vater, liebster Vater, 
die Wunden, die ich dir hab geschlagen,
Die wolt ich dreimal lieber 
in meinem Haubte tragen.«
»Nun schweig, du lieber Sune: 
der Wunden wirt gut Rat,
Seid daß uns got all beide 
zusammen gefüget hat.«

Das weret von der None 
biß zu der Vesperzeit,
Biß daß der jung Her Alebrant 
gen Bern einhin reit.
Was fürt er an seinem Helme? 
Von Gold ein Krenzelein.
Was fürt er an der Seiten? 
Den liebsten Vater sein.

Er fürt in mit im in seinen Sal 
und satzt in oben an den Tisch,
Er pot im Essen und Trinken, 
das daucht sein Mutter unbillich.
»Ach Sune, lieber Sune, 
ist der Eren nicht zu vil,
Daß du mir ein gefangen Man 
setzst oben an den Tisch?«

»Nun schweige, liebe Mutter, 
ich will dir newe Meer sagen:
Er kam mir auf der Heide 
und het mich nahent erschlagen;
Und höre, liebe Mutter, 
kein Gefangner sol er sein:
Es ist Hiltebrant der alte, 
der liebste Vater mein.

»Ach Mutter, liebe Mutter mein, 
nun beut im Zucht und Er!«
Do hub sie auf und schenket ein 
und trug ims selber her;
Was het er in seinem Munde? 
Von Gold ein Fingerlein,
Das ließ er inn Becher sinken 
der liebsten Frawen sein.

Die selbe Ausgangssituation wie im Alten Hildebrandslied - doch im Gegensatz zu diesem versöhnen sich hier Vater und Sohn. Diese spätmittelalterliche Ballade ist seit der 2. Hälfte des 15. Jhds. wohlbekannt. Die Strophen sind im sog. "Hildebrandston", 
der in einer Art Sprechgesang vorgetragen werden konnte. Es zeigt christlichen Einfluß.

Gefunden in: "Das deutsche Volkslied, I: Balladen", veröffentlicht von John Meier,1935; 
Text übertragen in: "Deutsche Dichtung des Mittelalters I: Von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter", 
Michael Curschmann & Ingeborg Glier, Frankfurt/Germany 1987.

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