~ Asatru-Gedichte von mir ~
Unter dem Mantel
Ganz Island ist zum Althing gekommen,
versammelt sind in Sorge die Leute.
Uns trennt eine Kluft, ein Keil der Zwietracht:
Zwei Religionen entzweien das Volk.
Manche schwörn Eide bei Öku-Thor,
manche bei Gott: doch welche sind gültig ?
Riten binden und regeln Verträge;
der Friede zerbricht, wenn beiden wir folgen.
Ich soll alleine für alle nun wählen
zwischen Hammer und Kreuz, den Hohen und Christus.
Eine schwere Bürde brachten sie mir;
ich zieh mich zurück, such Rat unterm Mantel.
Wie könnt´ ich mich wenden vom Weg der Götter,
die Asen nicht ehren wie einst meine Vorfahrn ?
Sie nannten mich Thorgeir - Thor-Speer bedeutet´s;
Thorgeir Verräter riefen sie, fürcht ich.
Den Göttern brachten wir Gaben für Segen;
werden die Felder nun fruchtlos werden ?
Bitter wär´s, unsern Bund zu brechen
um dem Einen Gott aus dem Ausland zu folgen.
Norwegen nötigt zum neuen Weg uns,
hält unsre Söhne als hilflose Geiseln.
Sie drohen mit Krieg, und kraftlos sind wir,
zerissen im Streit, zerrissen wie ich.
Ich opfere unsern alten Glauben
Für Einheit des Volkes und Frieden des Lands.
In Sagen vielleicht überlebt ein Same,
für Enkel schläft in Geschichten ein Keim.
Die Sonne dämmert in dichtem Nebel,
geht auf für Christus, doch unter den Göttern.
Nicht länger behalt ich Hoffnung noch Mantel:
Leb wohl, Thor, in Thingvellir heute.
Ich muß gehn; sie warten. Mit müden Worten
verkünd´ ich dem Volk, welchem Wege wir folgen.
Im Triumph gehn die einen, in Trauer die andern,
doch gehn wir vereint in Glaube und Brauch.
© 2005 Michaela Macha
Geschrieben im Stabreim: altnordisches "Altes Versmaß" (Fornyrdhislag), mit Ausnahme mehrerer Zeilen.
- Ihr dürft meine Gedichte gerne privat ausdrucken und verwenden. Falls Ihr etwas weiter verbreiten wollt (posten, drucken etc.) geht das i.d.R. in Ordnung, aber bitte fragt mich vorher. Danke! -